Ich bin nicht da

Lize Spits Roman „Ich bin nicht da“ handelt von einer Liebe im Ausnahmezustand. Schonungslos wird hier von Schmerz und Scham erzählt, die eine psychische Krankheit auslösen, auch von Wut und Hilflosigkeit den Betroffenen gegenüber, gerade und vor allem, wenn man ihnen so nahe ist wie in einer Liebesbeziehung.


Die Handlung

 Leo ist seit zehn Jahren mit Simon zusammen. Er ist der wichtigste Mensch in ihrem Leben, und viele andere sind da auch nicht. Eines Nachts kommt Simon wie ausgewechselt nach Hause, völlig überdreht, mit neuer Tätowierung, neuen Freunden, neuen Zukunftsplänen. Er schläft immer weniger und wird zunehmend paranoid. Eine manische Episode hat Leos große Liebe fest im Griff.

Sehr detailliert beschreibt Lize Spit auf fast 600 Seiten, wie diese Krankheit die Beziehung auf die Probe stellt.

Parallel dazu hat sie eine spannende Erzählung eingebaut, die den Roman strukturiert und vorantreibt. Denn Simon entführt in seinem Wahn das frisch geborene Baby eines befreundeten Paares. Leo rast auf dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause, in der panischen Hoffnung, Simon und das Kind dort lebend anzutreffen. Es sind zwölf atemlose Minuten, die Lize Spit außerdem nutzt, um die existentielle Frage zu stellen, ob man einem psychisch kranken Menschen ein Kind anvertrauen kann. Die Antwort gibt sie am Ende mit einer herzzerreißenden Szene, die allein es schon wert ist, den Roman nicht zur Seite zu legen. Dafür sorgt auch, dass Lize Spit sich nicht auf ihre privaten Erfahrungen verlassen hat. Sie hat Ärzte, Psychiater und Patienten getroffen und konnte so ihre hoch emotionale private Geschichte mit der nüchternen Klinik-Realität untermauern. 


„Ich hatte nicht nur Simon, sondern auch mich selbst verloren. Das war es, was Simon meinte, wenn er mir ‚ich vermisse dich‘ schrieb, obwohl ich nur im angrenzenden Zimmer mit etwas beschäftigt war. ‚Wir schaffen das schon‘ sagte Simon, er schlief ein, ich blieb wach liegen.“


Einiges ist schwer zu ertragen im Laufe der Geschichte, Lize Spit lässt keine Körperflüssigkeit aus und fängt auch verstörende Szenen präzise ein. Aber genau das macht die literarische Kraft des Romans aus. Als Leserin wird man in ein Drama hineingezogen, an dem niemand schuld ist, aber dessen zerstörerische Kraft vor nichts Halt macht. (Bettina Baltschev -Deutschlandfunk)

Lize Spit
ICH BIN NICHT DA
Übersetzt von: Helga van Beuningen
ISBN: 978-3-10-397124-8

Zurück
Zurück

Eine natur(un)heilkundliche Schauergeschichte: EMPUSION

Weiter
Weiter

Jenseits der Blattränder