Gewaltig, weiblich, stark

EIN GEIST IN DER KEHLE ist ein weiblicher Text, geschrieben im einundzwanzigsten Jahrhundert.
Wie spät es ist. Wie viel sich verändert hat. Wie wenig.

Zur Handlung:

Zwei Schriftstellerinnen. Die eine schrieb im 18. Jahrhundert als irische Adlige ein gälisches Klagelied, das CAOINEADH, in dem sie die Ermordung ihres Mannes beweint und letztlich von seinem Blut trinkt, um im Tod eins mit ihm zu werden. Die andere schreibt das aktuelle Buch und erzählt autofiktional von ihrer Beziehung zu dieser Dichterin, die schon seit Jahrhunderten tot ist und ihr im Alltag als junge Mutter zwischen Stillen, Windeln, Haushalt und To-Do-Listen Trost spendet.


Ich richte mir mein Leben so ein, dass ich immer, wenn ich mal sitze, gleichzeitig blasse Silben aus Milch von mir gebe und selbst dunkle Nahrung aus Tinte trinke.
— Doireann Ní Ghiofa

Akribisch macht sich Doireann Ní Ghríofa auf die Suche nach Spuren der irischen Dichterin  Eibhlín Dubh Ní Chonaill, durchforstet alte Bücher, Archive und Friedhöfe und stellt fest, dass es gar nicht so leicht ist an Informationen zu gelangen. Aus dem von Männern bestimmten 18.Jahrhundert sind fast nur von Männern verfasste Schriftstücke erhalten. Abseits ihrer Rolle als Ehefrau, Mutter oder Tochter sind Frauen unsichtbar in der Geschichte.


Auf jeder Seite gibt es ungezeichnete Frauen und jede wartet in ihrer eigenen Stille.
— Doireann Ní Ghríofa

TO STAR THE DARK von Doireann Ní Ghríofa gibt es aktuell leider nur auf Englisch

EIN GEIST IN DER KEHLE ist eine poetische, helle Erzählung, gleichzeitig urgewaltig und eindringlich. So begeistert hat mich zuletzt MUTTERS STIMMBRUCH von Katharina Mevissen. Absolute Leseempfehlung!
Am Ende des Buches kann man in voller Länge das CAOINEADH im Original sowie in englischer und deutscher Übersetzung nachlesen:




Ich machte drei Sätze,
den ersten zur Schwelle,
den zweiten zum Tor,
den dritten zum Ross.

VIII

Schnell klatschte ich in die Hände
und ritt so schnell,
so schnell ich nur konnte,
bis ich dich fand, ermordet
von einem kleinen buckligen Ginster,
kein Papst, kein Bischof,
kein Pfarrer, kein Geistlicher
war da, dir die letzten Psalmen zu lesen,
nur ein altes schrumpeliges Weib
hat dich in Lumpen gewickelt.
Liebster, dein Blut floss in Sturzbächen,
ich konnt’ es nicht wegschaffen, konnt’ es nicht aufwischen, nein,
ich machte die Hände zu Tassen und, oh,
ich trank und trank.

...
— Eibhlín Dubh Ní Chonaill

aus:
KLAGELIED FÜR ART Ò LAOGHAIRE
Eibhlín Dubh Ní Chonaill
1743-1800, Irland


Doireann Ní Ghríofa
EIN GEIST IN DER KEHLE
Verlag: btb
Seitenzahl: 384
ISBN 978-3-442-76231-6
Ins Deutsche übersetzt von Cornelius Reiber und Jens Friebe

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